Der Aufstiegsmythos als Stolperstein der Linken

Der Sonntag brachte ein richtig gutes Ergebnis für Die Linke, und doch haben andere die Wahl gewonnen. 

Wir sprachen bereits am Freitag darüber: Mehrheiten für linke Politik sind nicht das gleiche wie Mehrheiten für linke Parteien. Linke Parteien haben ein Vermittlungsproblem. Obwohl viele Menschen inhaltlich mit ihnen übereinstimmen und es eigentlich in ihrem eigenen Interesse wäre, links zu wählen passiert genau das Gegenteil.

Ein Take dazu, den ich auch in den letzten Tagen immer wieder gelesen hab, ist dass angeblich viele Menschen den Eindruck hätten, dass das Erfolgs- und Wohlstandsversprechen der kapitalistischen Gesellschaft für sie nicht mehr gelten würde. Das sei es, was sie in die Arme rechtskonservativer Parteien treibe.

 

Ich denke, das Gegenteil ist der Fall.

Das Problem ist nicht, dass Menschen nicht mehr an den sozialen  Aufstieg glauben – das Problem ist vielmehr, dass sie viel zu sehr daran glauben. Von klein auf wird uns beigebracht, dass jede*r die Chance hat, es „nach oben“ zu schaffen. In diesem Glauben warten alle ganz geduldig auf Ihre Chance.

 

Wenn Menschen erleben, dass ihnen kein sozialer Aufstieg gelingt, suchen sie nach Schuldigen. Statt den Aufstiegsmythos selbst zu hinterfragen, wird die Schuld bei anderen Menschen gesucht: bei Migrant*innen, bei Marginalisierten oder bei vermeintlich „Leistungsschwachen“. Und das führt dazu, dass Parteien wie die CDU oder die AfD gewählt werden, die einen Schuldigen anbieten und andererseits nicht mal ansatzweise am Aufstiegsmythos rütteln. Sie sind sogar besonders angewiesen auf den Aufstiegsmythos, weil sie von sozialpolitischer Seite nichts anzubieten haben. 

Nach der Logik dieser Parteien gehören in Deutschland plötzlich alle zu den oberen 10 %, sobald die Asylsuchenden und die Bürgergeld-Empfänger*innen weg sind. Die Wahrheit ist: wir würden noch prekärer leben, denn die Angst vor dem Abstieg würde wachsen in Anbetracht dessen, wie diese Gesellschaft mit den Schwächsten umgeht. Je schlechter wir die Sachwachen behandeln, desto größer wird die Angst vor dem Abstieg. Und aus dieser Angst heraus würden sich viele noch ein bisschen mehr ausbeuten lassen, weil keine Lohnarbeit zu geben das aller-, allerschlimmste wäre. Nicht lohnarbeitende Menschen werden ja jetzt schon massiv verachtet.

 

Der Glaube, dass Leistung im Lohnarbeitskontext zu Erfolg führt, ist so tief verankert – auch in den Köpfen vieler Menschen, die Grüne und SPD unterstützen. Selbst Die Linke verknüpft kontinuierlich Arbeit, Leistung und Gerechtigkeit.

Um aus der aktuellen politischen Sackgasse herauszukommen, muss dieser Zusammenhang aber grundlegend  neu gedacht werden. Ein zentraler Punkt dabei ist aus meiner Sicht die Anerkennung von Sorgearbeit als gleichwertigen Beitrag zur Gesellschaft.

 

Es braucht politische Konzepte, die dafür sorgen, dass alle Formen von Arbeit gleichermaßen wertgeschätzt werden. Und es braucht die klare Bekenntnis, dass Menschenrechte unteilbar sind und dass sich niemand das Recht auf Menschenwürde erarbeiten muss.

 

Dann klappt’s vielleicht langfristig mit einem Linksruck.