Der Typ Rückwärtsgewandt denkt, dass Frauen weniger kompetent und weniger klug sind als Männer. Ihm zufolge haben sie außerdem eine biologisch bedingte Vorprogrammierung für Aufgaben wie Putzen, Kochen, Kindererziehen... also alle Care-Aufgaben, die meistens unbezahlt sind. Der Rückwärtsgewandte kämpft entweder für eine Erhaltung des Status Quo oder will sogar zurück in eine Zeit, in der Frauen noch weniger Rechte hatten. Stichwort "Your body, my choice" zum Beispiel. Aber es geht nicht nur um den Blick auf Frauen-, sondern auch um den auf Männerrollen. Dominanz, Ehre und/oder Stärke als "männliche" Werte prägen den Rückwärtsgewandten ebenfalls, was sich auf das Beziehungs- und Familienleben auswirkt.
WAS DU ERWARTEN KANNST
KINDERERZIEHUNG Die machst du zu 90% alleine, da du als Frau das „ja eh besser kannst“ und/oder er „da einfach nicht so ein Händchen für hat“. Du kannst außerdem davon
ausgehen, dass eure Kinder mit rigiden Geschlechternormen aufwachsen. Für jedes bisschen Freiraum für die Kinder bei Kleidung, Spielsachen oder Hobbys wirst du kämpfen müssen, weil er findet:
Boys will be boys.
HAUSARBEIT Es gilt das gleiche wie bei der Kindererziehung. Selbst wenn ihr beide Geld verdient, wird er nicht einsehen, dass er Zuhause auch seinen Teil zu leisten hat. Wenn du darauf bestehst, sind Dauerkonflikte vorprogrammiert.
MENTAL LOAD Der Rückwärtsgewandte sieht Sorgearbeit komplett als Aufgabe seiner Partnerin. Er hilft nur, wenn du ihn direkt und explizit bittest. Mental Load – also das Denken und Planen rund um den Haushalt und die Familie – ist für ihn kein Thema, weil er sich überhaupt nicht dafür verantwortlich fühlt.
EMOTIONALE ARBEIT In Konflikten wird er eher impulsiv, zeigt wenig Einsicht und neigt dazu, die Schuld bei anderen zu suchen. Er meidet Diskussionen oder wird wütend, wenn er sich angegriffen fühlt. Paarzeiten oder Geschenke werden oft zu selten kommen oder nicht durchdacht sein. Er wird wenig Interesse an der Pflege der Beziehung zeigen, solange es ihm gut geht.
JOBVERLUST Dein Jobverlust ist kein Problem, solange er genug verdient und du die vollständige Familienarbeit übernimmst. Verliert hingegen er seinen Job, wird’s haarig: Da er seine empfundene Funktion als Ernährer nicht mehr erfüllen kann, droht eine massive Identitätskrise. Unter dieser Krise wirst du ebenso leiden, da er kaum über adäquate Werkzeuge und Bewältigungsmechanismen für emotionale Krisen verfügt.
KRANKHEIT: Wird er krank, wird er deinen vollen Support erwarten. Wirst du krank, wird er dich verlassen, sobald du als (Haus-)Frau deinen Beitrag zu eurer Beziehung nicht mehr leisten kannst und er mit allem überfordert ist.
PFLEGE EINES ANGEHÖRIGEN Ebenso wie bei der Kinderversorgung ist hier wenig Unterstützung zu erwarten. Im Gegenteil: Wenn nicht deine sondern seine Eltern Hilfe brauchen, wirst du diejenige sein, von der diese Unterstützung erwartet werden wird. Fürsorge ist Frauenarbeit und damit ist es dein Job.
ENTWICKLUNGSPOTENTIAL Zu gering, als dass es sich lohnen würde, zu investieren. Lauf!
Der Typ Verantwortungsleugner räumt zwar in Teilen ein, dass Frauen anders behandelt werden als Männer, führt das jedoch unmittelbar auf das Verhalten von Frauen zurück. Im Job nicht effizient gut genug, im Club zu wild getanzt, besser und schneller bei der Sorgearbeit - egal, worum es geht, von sexualisierter Gewalt, Gender Pay Gap, Gender Care Gap, bis hin zur mangelnden Gleichstellung selbst – der Verantwortungsleugner findet immer eine Frau, der er die Schuld geben kann (und sei es die Mutter von einem Mann). Vom Feminismus fühlt er sich vor allem bedroht, Frauenparkplätze und Frauenquoten betrachtet er als sexistische Diskriminierung gegen Männer.
WAS DU ERWARTEN KANNST
KINDERERZIEHUNG Die Kindererziehung und -betreuung wird zu 90% in deiner Verantwortung liegen, da du „ja eh immer was zu meckern hast“ und/oder seine Lohnarbeit angeblich
viel anstrengender ist als deine. Du kannst außerdem davon ausgehen, dass eure Kinder unreflektiert mit Geschlechternormen aufwachsen und deine Tochter von ihm lernen wird, sich zu schützen,
während dein Sohn keine spezielle Ansprache erhalten wird, im Gegenteil.
HAUSARBEIT Es gilt Ähnliches wie bei der Kindererziehung. Ihm zugeteilte Aufgaben werden eher widerwillig und schlampig erledigt, so dass du ihm öfter als nicht die Aufgabe wieder aus der Hand nimmst, bevor er alles nur noch schlimmer macht. Equal Care bleibt in weiter Ferne.
MENTAL LOAD Dieser Typ erkennt, dass seine Partnerin viel leistet, fühlt sich aber noch nicht direkt verantwortlich, denn schließlich hast du es dir ja selbst ausgesucht, Familie zu haben. Er wird dir manchmal Hilfe anbieten, wenn du offensichtlich gestresst bist, aber sein Beitrag ist sporadisch und hängt stark von der Stimmung und den sichtbaren Anzeichen deiner Belastung ab.
EMOTIONALE ARBEIT Er reagiert auf Konflikte eher emotional und manchmal übertrieben. Anstatt offen zu kommunizieren, zieht er sich zurück oder wird sehr laut und verteidigt sich stark. Paarzeiten werden oft unregelmäßig stattfinden und werden von ihm als selbstverständlich betrachtet. Geschenke gibt es spontan, aber nicht immer auf die Bedürfnisse des Partners abgestimmt.
JOBVERLUST Dein Jobverlust ist wie bei Typ 1 kein Problem, solange er genug verdient und du die vollständige Familienarbeit übernimmst. Sein Jobverlust hingegen wird zur Krise für alle, da er dazu neigt, sich von der Welt übervorteilt und verarscht zu fühlen. Seine Ernährerfunktion nicht mehr erfüllen zu können, löst zahlreiche Ängste und Unsicherheiten aus, was er jedoch niemals einräumen würde.
KRANKHEIT Wird er krank, wird der Typ Verantwortungsleugner deinen vollen Support erwarten. Wirst du krank, wird er dich wahrscheinlich verlassen, weil du deinen Beitrag zu eurer Beziehung nicht mehr leisten kannst und er mit allem überfordert ist. Dabei wird er sich im Recht fühlen - selbst Schuld, es müssen doch nicht alle leiden, nur weil du krank bist!
PFLEGE EINES ANGEHÖRIGEN Ebenso wie bei der Kinderversorgung ist hier wenig Unterstützung zu erwarten. Im Gegenteil: Wenn nicht deine sondern seine Eltern Hilfe brauchen, wirst du diejenige sein, von der diese Unterstützung erwartet wird. Dass er auch etwas beitragen könnte, kommt ihm eher nicht in den Sinn. Er hat als Mann schließlich andere Aufgaben.
ENTWICKLUNGSPOTENTIAL Zu wenig, um deinen Einsatz zu rechtfertigen. Mach dich aus dem Staub!
Auch der Typ Belehrer gesteht ein, dass Frauen zumindest manchmal schlechter behandelt werden als Männer. OK, das mit der sexuellen Belästigung - schon doof. Und dass Mütter im Job oft auf dem Abstellgleis landen - auch ärgerlich. Der Belehrer paart diese Einsichten jedoch stets mit zahlreichen Hinweisen, was Frauen tun sollten, um ihre Situation zu verändern: Andere Kleidung tragen, weniger Alkohol trinken, mehr arbeiten, Erwartungen reduzieren, und so weiter. Insofern ist er nur marginal fortschrittlicher als der Verantwortungsleugner auf Stufe 2.
WAS DU ERWARTEN KANNST
KINDERERZIEHUNG Die Kindererziehung machst du zu 90% alleine, da du „ja eh immer was zu meckern hast“ und/oder weil du nicht freundlich genug darum bittest. Tone policing wird auch den Umgang mit euren Kindern bestimmen, die lernen werden, ihre negativen Gefühle nicht mehr auszudrücken. Die Reproduktion von Geschlechterstereotypen ist dabei unvermeidlich, denn besonders die Mädchen müssen stets freundlich bleiben.
HAUSARBEIT Es gilt Ähnliches wie bei der Kindererziehung. Ihm zugeteilte Aufgaben werden nur dann erledigt, wenn du nett genug fragst. Dann erledigt er durchaus mal etwas, aber wehe, du erinnerst ihn mehr als einmal. Equal Care bleibt in weiter Ferne und die emotionale Last, ihn stets in Watte zu packen, ist immens.
MENTAL LOAD Auch der Belehrer fühlt sich für die Sorgearbeit nicht verantwortlich und macht sich entsprechend keine Gedanken über die Alltagsorganisation etc. Er wird darauf warten, dass du ihm Aufgaben zuteilst, die er dann ausführt (wenn auch manchmal widerwillig). Den mentalen Teil der Arbeit, wie z. B. an Termine oder To-dos zu denken, wird er dir überlassen. Er wird dabei glaubten, dass seine Hilfe ausreichend ist, weil er ja „mitmacht“.
EMOTIONALE ARBEIT Er sucht zwar nach Lösungen, aber oft ohne viel Geduld oder Rücksicht auf deine Gefühle. Er wird sich auf Nachfrage um gemeinsame Zeit bemühen, kommt aber eher nicht selbst auf die Idee, etwas zu initiieren.. Geschenke werden oft als Ausdruck der Liebe genutzt, jedoch werden sie manchmal unpersönlich oder pragmatisch wirken. Ein gewisser Mangel an Empathie wird stets spürbar sein.
JOBVERLUST Dein Jobverlust ist eher kein Problem, solange er genug verdient und du die vollständige Familienarbeit übernimmst. Allerdings kannst du dich darauf einstellen, dass er die Schuld bei dir sehen wird und dir unermüdlich erklärt, was du falsch gemacht hast. Verliert er seinen Job, sind auch erstmal die anderen Schuld. Ihn hier zu motivieren und sein Selbstbewusstsein so zu stärken, dass er sich auf Jobsuche macht, wird ein ganzes Stück Arbeit sein.
KRANKHEIT Wird er krank, wird er deinen uneingeschränkten Support erwarten. Wirst du krank, wird er dich verlassen, nachdem er dich davon überzeugt hat, dass er wirklich „alles“ getan hat, was in seiner Macht stand, um die Beziehung zu retten.
PFLEGE EINES ANGEHÖRIGEN Ebenso wie bei der Kinderversorgung ist hier wenig Unterstützung zu erwarten. Es sind ja schließlich deine Eltern, was soll er da beitragen müssen? Wenn nicht deine sondern seine Eltern Hilfe brauchen, wirst du diejenige sein, von der diese Unterstützung erwartet wird. Denn, so wird er dir erklären: Um was zu gelten, muss man sich auch um die Mitmenschen bemühen.
ENTWICKLUNGSPOTENTIAL Gering. Wenn man ihn früh erwischt und er echtes Interesse hat, schafft er es im allerbesten Fall in ein paar Jahren zum Ally oder zumindest zum Passiv-Einsichtigen. Im schlechtesten Fall aber geht er wieder einen Schritt zurück – die ersten drei Stufen liegen eng beieinander. Watch out!
Der Typ Passiv-Einsichtig erkennt, dass patriarchale Strukturen überall sind, und Männer die Verantwortung tragen, das zu ändern. Er gibt Frauen nicht die Schuld an ihrer Lage und erkennt, dass die Ausbeutung der Frauen für emotionale und physische Fürsorge tatsächlich stattfindet. In dieser Anerkennung positioniert er sich verbal als feministisch. Leider gelingt es ihm nicht (immer), auch feministisch zu handeln. Er zeichnet sich im Alltag durch eine gewisse Verhaltensstarre aus. Das macht ihn ein wenig gefährlich, da seine Partnerin sich aufgrund seiner Äußerungen sicherer mit ihm fühlen könnten, als sie es tatsächlich ist.
WAS DU ERWARTEN KANNST
KINDERERZIEHUNG Er wird aktiv Zeit mit euren Kindern verbringen, die jedoch überwiegend spaßorientiert und frei von größeren Verpflichtungen ist. Aufgaben wie
das Planen von Terminen, Sorgen um das Wohlbefinden oder das Eingehen auf emotionale Bedürfnisse wird er eher dir überlassen. Er ist allerdings durchaus in den Alltag der Kinder involviert und
übernimmt Routinen wie Kochen, Hausaufgabenbetreuung oder das Vorlesen von Geschichten auf Anfrage.
HAUSARBEIT Wie der Belehrer-Typ wartet der Passiv-Einsichtige auf die Zuteilung der Aufgaben und ist nur in bestimmten Bereichen proaktiv. Du wirst also durchaus noch als
alleinige Familienmanagerin fungieren müssen, zumindest am Anfang. Das kann anstrengend sein, aber wenn er wirklich passiv-einsichtig ist, bestehen gute Chancen, dass er nach und nach zum Ally
aufsteigt.
MENTAL LOAD Dieser Typ hat im Prinzip verstanden, dass Sorgearbeit auch seine Verantwortung ist. Er wird Aufgaben auch eigenständig durchführen, aber du wirst
immer noch den größeren Teil der Mental Load tragen. Er wird noch häufig fragen, was er tun kann und erst nach und nach erkennen, dass auch das Planen und Organisieren anstrengend und damit ein
To-Do ist.
EMOTIONALE ARBEIT Konflikte versucht der Passiv-Einsichtige eher zu vermeiden, weil er sich schnell überfordert fühlt und wenig Übung hat, seine Gefühlswelt zu beschreiben. Er ist aber generell bereit, Verantwortung zu übernehmen und auch Kompromisse einzugehen. Es fehlt ihm jedoch Festigkeit in seiner Rolle als Partner, Mann und Vater, die noch sehr durch gesellschaftliche Prägungen beeinflusst ist. Er wird voraussichtlich Erinnerungen an regelmäßige Paarzeiten benötigen und im Alltag nur bedingt aufmerksam sein. Geschenke zu besonderen Anlässen werden jedoch meist persönlich sein und echtes Interesse zeigen.
JOBVERLUST Verlierst du deinen Job, wird er nicht erwarten, dass du nun die Familienarbeit alleine machst, aber er wird seinen Einsatz voraussichtlich reduzieren, was es dir wiederum schwerer machen kann, einen neuen Job zu finden und dort Fuß zu fassen. Verliert er seinen Job, wird er dich zwar darin bestärken, deine Stunden zu erhöhen, bis er wieder einen Job hat, doch so ganz wohl fühlt wird er sich mit der Rolle als Hausmann nicht fühlen. Eine Identitätskrise ist wahrscheinlich.
KRANKHEIT Wirst du krank, wird er so gut es geht deine Aufgaben übernehmen, aber bei Vielem fehlt ihm die Routine und er wird schnell überlastet sein und ebenfalls krank werden. Wird er krank, sieht er ein, dass du neben ihm auch noch andere Aufgaben hast, aber gefallen wird es ihm nicht und das wirst du auch spüren.
PFLEGE EINES ANGEHÖRIGEN Theoretisch würde er dich bei der Pflege deiner Eltern unterstützen, aber er wird nicht wissen, wie. Sein Verantwortungsgefühl wird auch nicht groß genug sein, um sich selbst weiterzubilden oder proaktiv Aufgaben zu suchen. Solltest du ihn jedoch um konkrete Sachen bitten, wird er diese auch übernehmen. Haben seine Eltern Pflegebedarf, wird er deine Unterstützung oder zumindest unbedingtes Verständnis dafür erwarten, dass seine Eltern Priorität vor dir und den Kindern haben.
ENTWICKLUNGSPOTENTIAL Gut, denn der Weg zum Ally (Stufe 5) ist nicht weit! Aber Vorsicht: Auch hier ist ein Rückfall auf Stufe 3 möglich. Schaue daher genau hin, ob der passiv-einsichtige Typ bereit ist, in den aktiven Bereich zu wechseln. Sind die feministischen Einsichten nur Lippenbekenntnisse, Finger weg!
Der Typ Ally ist sich der allgegenwärtigen patriarchalen Strukturen nicht nur bewusst, sondern riskiert sein soziales Kapital, um das mitzuteilen und/oder verzichtet auf Vorteile zugunsten von Frauen bzw. FLINTA. Zum Beispiel lässt er Frauen den Vortritt, wenn es um publikums- oder prestigeträchtige Jobs geht, ohne das an die große Glocke zu hängen. Oder er übernimmt mehr als die Hälfte der Familienarbeit, wenn die Partnerin im Job vorankommen will oder ein zeitintensives Hobby hat. Er ist außerdem bereit, sich bei anderen Männern durch Widerspruch und Aufklärung unbeliebt zu machen. Er weist andere Männer, auch Vorgesetzte und beste Freunde, auf misogyne Äußerungen und Sexismus hin und setzt so sein Verantwortungsbewusstsein in konkrete Handlungen um.
WAS DU ERWARTEN KANNST
KINDERERZIEHUNG Er nimmt aktiv an der Begleitung eurer Kinder teil und trägt Verantwortung für die Planung und Organisation des Alltags. Dazu gehören Elternabende, Arzttermine und das Eingehen auf die emotionalen Bedürfnisse aller Beteiligten. In Absprache mit dir wird er gemeinsame Vorstellungen von Respekt, Konsens, genderneutraler Sprache oder Offenheit für unterschiedlichste Identitäten und Präferenzen vertreten und vermitteln.
HAUSARBEIT Die Hausarbeit werdet ihr miteinander teilen und Kompetenzunterschiede ausgleichen, indem ihr Aufgabenpakete tauscht. Regelmäßige Absprachen und ein Putzplan sorgen dafür, dass der Laden läuft.
MENTAL LOAD Ihr werdet gleichermaßen denken, planen und Aufgaben. Er weiß, dass Sorgearbeit nicht nur aus körperlichen Aufgaben besteht, sondern auch aus dem ständigen Denken und Vorbereiten und er wird seinen Teil zuverlässig erfüllen. Eventuell werdet ihr leicht gegenderte Aufgabenverteilungen haben – z.B. du Kinderkleidung, er Kontenverwaltung –, aber am Ende des Tages ist der Umfang der jeweiligen Aufgaben in Summe so ähnlich, dass es nur selten zu Konflikten darüber kommt, wer eigentlich mehr macht.
EMOTIONALE ARBEIT Der Typ Ally wird Konflikte überwiegend ruhig und mit Empathie angehen, deine Gefühle ernst nehmen und offen für Lösungen sein, die beide Seiten einbeziehen. Die Belastung durch die (für eine männlich sozialisierte Person ungewöhnlich große) Sorge-Verantwortung plus Lohnarbeit kann jedoch dazu führen, dass er sehr erschöpft ist und entsprechend Nerven zeigt. Dann kann auch die Paarzeit zu kurz kommen und Konflikte können auch mal lauter werden.
JOBVERLUST Verliert er seinen Job, wird er ohne Weiteres mehr Familienarbeit übernehmen, damit du deine Stunden erhöhen kannst. Er wird kein Problem damit haben, auch einige Jahre ganz Hausmann zu sein, wenn du Lust auf Karriere hast. Verlierst du deinen Job, erwartet er hingegen keinen zusätzlichen Einsatz zuhause, sondern macht weiter wie vorher. So wirst du ausreichend Zeit haben, dich auf einen neuen Job einzustellen oder dich von dem alten zu erholen.
KRANKHEIT Solltest du krank werden, wird es für ihn selbstverständlich sein, sich um dich zu kümmern und ggf. Unterstützung für den Alltag zu organisieren. Sollte er erkranken, kümmerst du dich um ihn. Dabei schätzt er deinen Einsatz ohne Ende und bedankt sich regelmäßig dafür, dass du für ihn da bist.
PFLEGE EINES ANGEHÖRIGEN Die Pflege eines Familienmitglieds gehört für den Ally selbstverständlich dazu. Er wird sich daher auch in der Verantwortung sehen, seinen Teil beizutragen. Das wünscht er sich von dir, berücksichtigt dabei jedoch deine allgemeine Belastung und deine Beziehung zu den Personen aus seiner Familie.
ENTWICKLUNGSPOTENTIAL Es bestehen gute Voraussetzungen, um miteinander weiter zu wachsen und euren Kindern, solltet ihr welche bekommen, neue Normen mit auf den Weg zu geben. Der Typ Ally hat seine persönliche Prägung zwar nicht unbedingt in jeder Hinsicht hinterfragt und reflektiert, weiß aber um dessen Existenz. So kann es passieren, dass er in schwierigen Momenten und bei hoher Belastung durchaus noch patriarchal handelt. Aber er ist in der Lage, das im Nachhinein zu erkennen, sich ggf. zu entschuldigen und sein Verhalten zu verändern. So wird er nach und nach zum Pionier (Stufe 6). Gelingt ihm dieser emotionale Reifungsprozess nicht, bleibt er Ally. Fällt es ihm auf Dauer zu schwer, dem gängigen Männlichkeitsideal nicht zu entsprechen, kann es passieren, dass er auf Stufe 4 (Passiv-Einsichtig) zurückfällt und zum Beispiel doch noch auf deine Kosten Karriere macht oder sich ein "männliches" Hobby sucht, um seine "weiblichen" Aufgaben in der Familie auszugleichen.
Der Typ Pionier ist auf den ersten Blick dem Ally sehr ähnlich, macht sich jedoch noch stärker an die innere Arbeit, um Empathie, emotionale Intelligenz und Beziehungsfähigkeit zu entwickeln. Er hat verstanden, dass es nicht ausreicht, das Problem anzuerkennen und sich ihm zu stellen. Der Pionier ist sich vielmehr dessen bewusst, dass das Problem weiterhin in ihm lebt und vielleicht immer leben wird. Er reflektiert sein eigenes Verhalten wie auch das seines Vaters und anderer männlichen Vorbilder. Er stellt sich außerdem der Scham darüber, in seiner Vergangenheit misogyn oder sexistisch gehandelt und gedacht zu haben. Dieser Schritt erfordert viel Mut und Zeit – sehr oft auch therapeutischen Support und gute Bücher wie etwa von bell hooks „Männer, Männlichkeit und Liebe. Der Wille zur Veränderung“. Das Verlernen patriarchaler Prägungen und die Reflexion der Verletzungen, die Menschen in diesen Strukturen zugefügt werden, ist eine Lebensaufgabe. Niemand, der in dieser Gesellschaft mit ihren Rollenerwartungen aufgewachsen ist, kann sich jemals völlig davon befreien.
WAS DU ERWARTEN KANNST
KINDERERZIEHUNG Der Typ Pionier wird sich die Verantwortung für die Kindererziehung mit dir teilen. Er wird in alle Bereiche involviert sein, einschließlich des emotionalen Supports, der Förderung der sozialen Fähigkeiten und der langfristigen Planung für die Kinder. Er wird ebenso viele Bücher zu Kindererziehung lesen wie du und dich ermutigen, ebenfalls aus deinen anerzogenen Mutteridealen herauszuwachsen und für dich passende Wege zu finden.
HAUSARBEIT Auch die Hausarbeit wird von Anfang an fair geteilt sein, wobei er sehr darauf achten wird, nicht zu wenig zu machen. Im Bewusstsein seiner und deiner Rollenerwartungen wird er besonders sensibel dafür sein, solltest du dich gesellschaftlichen Ansprüchen zu sehr beugen und dich überlasten.
MENTAL LOAD Aufgrund seines Verständnisses für die Bedeutung der Sorgearbeit übernimmt er seine Hälfte der mentalen Last oder mehr voll verantwortlich, ohne dass du ihn daran erinnern musst. Ihr teilt euch die Organisation und Aufgaben zu gleichen Teilen, und jeder respektiert die Bemühungen des anderen. Es herrscht ein Bewusstsein für den Wert emotionaler und organisatorischer Arbeit.
EMOTIONALE ARBEIT In Konflikten wird der Pionier meist ruhig und reflektiert bleiben und respektvoll kommunizieren. Sollte er in alte Muster fallen, korrigiert er sich selbst oder ist offen für den Hinweis. Er akzeptiert die Verantwortung für seine Rolle in der Beziehung und strebt immer nach einer Lösung, die auch dein Wohl berücksichtigt. Er wird Prioritäten für eure Beziehung setzen, regelmäßig Zeit zu zweit einplanen und sich aktiv um eure emotionale Connection kümmern.
JOBVERLUST Wenn du deinen Job verlierst, werdet ihr gemeinsam einen Plan für die Übergangszeit machen, bei dem dir ausreichend Zeit für deine Bewerbungen und alles weitere bleibt. Auch eine Auszeit, sofern finanziell möglich, ist kein Problem. Die Aufteilung der Familienarbeit bleibt dabei gleich. Verliert er seinen Job, passiert das Gleiche. Ihr bleibt im Gespräch über Kinder, Karrieren und Kontostand und er achtet proaktiv darauf, nicht in konservative Muster zu rutschen.
KRANKHEIT Solltest du krank werden, wird es für ihn selbstverständlich sein, sich um dich zu kümmern und ggf. Unterstützung für den Alltag zu organisieren. Aufgrund seiner guten sozialen Kontakte ist das auch kein Problem. Sollte er erkranken, kümmerst du dich um ihn. Eure Freunde werden dich dabei unterstützen, so dass du nur unter schlechtesten Umständen deine Lohnarbeit und deine persönlichen Interessen aufgeben musst.
PFLEGE EINES ANGEHÖRIGEN Mitgehangen, mitgefangen: Die Pflege eines Familienmitglieds ist für den Pionier Familiensache. Er wird sich daher ebenso in der Verantwortung sehen wie du. Familie sind dabei nicht nur Eltern - auch sehr gute Freund*innen gehören dazu und es ist sein Anspruch, auch für sie in sorgender Funktion verfügbar zu sein. Ist jemand aus seiner Familie betroffen, wird er nichts von dir erwarten, was du nicht bereit bist zu geben. Er ist sich bewusst, dass Frauen sich schnell verpflichtet fühlen und achtet darauf, dass du deine Grenzen wahren kannst.
ENTWICKLUNGSPOTENTIAL Es bestehen bestmögliche Voraussetzungen, um miteinander weiter zu wachsen und euren Kindern, solltet ihr welche bekommen, neue Normen mit auf den Weg zu geben. Zwar kann auch einen Pionier die Vergangenheit mal einholen und ihr werdet im Alltag mit Rollenklischees konfrontiert sein, die ihr nicht unmittelbar beeinflussen könnt. Es sind jedoch Handwerkszeug und emotionale Reife vorhanden, um damit umzugehen. Obacht: Pionier in einer weiterhin patriarchalen Welt zu sein, ist anstrengend. Es kann sein, dass auch diesen Typ mal die Kraft verlässt und er auf die Ally-Stufe zurückfällt. Achtet beide auf eure Ressourcen und Prioritäten.
Die Feminismus-Fortschritts-Skala ist nach oben offen!
Orr beschreibt, dass jede Nennung einer Grenze, wann die Bezeichnung "Feminist" angemessen sei, bedeuten würde, dass ab diesem Punkt keine weitere Arbeit mehr gemacht werden müsse. Eine fixe Grenze suggeriert, dass es irgendwann reicht mit dem "feministisch sein". Aber das tut es nicht, und die wenigsten der heutigen Männer werden in ihrem Leben überhaupt Stufe 6 erreichen. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Situationsbeschreibung. Der Alltag im Kapitalismus lässt viel zu wenig Raum für persönliches Wachstum.
Nichtsdestotrotz: Mit höheren Skalenstufen gehen durchaus höhere Sicherheitsgrade für Frauen einher. Mit Männern ab Stufe 4 (die Passiv-Einsichtigen) würden vermutlich viele Frauen sich überwiegend sicher fühlen. Die meisten würden von den Allies auf Stufe 5 sagen, dass sie welche von den Guten seien. Stufe 6 existiert jedoch nicht umsonst und sie ist auch deswegen so besonders wichtig, weil sie verdeutlicht, dass Gleichberechtigung und das Verlernen von Patriarchat noch um einiges weiter gehen muss.
Erst, wenn auch die emotionale Arbeit unter ähnlich kompetenten Menschen geteilt werden kann und sich Männer und Frauen gleichermaßen für die Beziehungsarbeit in hetero Paarkonstellationen, Familien und Freund*innenschaften verantwortlich fühlen, kommen wir echter Gleichstellung näher (ausführlich dazu “Für Sorge”). Und wer weiß, welche Baustellen wir auf diesem Weg noch alles entdecken?