"Weaponized Incompentence" (strategische Inkompetenz) – Was ist das eigentlich?

Definition von Jo Lücke:

"Weaponized Incompetence", oder auf Deutsch: Die als patriarchale Waffe instrumentalisierte Inkompetenz – auch: Strategische Inkompetenz – beschreibt ein Verhalten, bei dem eine able-bodied Person vorgibt, eine Aufgabe nicht erfüllen zu können oder absichtlich an ihr scheitert, um zu vermeiden, künftig für diese Aufgabe zuständig zu sein oder noch einmal mit der Erledigung beauftragt zu werden.

 

Weaponized Incompetence dient der Legitimation von Kompetenzunterschieden in Bezug auf geschlechtlich konnotierte Tätigkeiten sowie ungleicher Arbeitsteilung. Letzteres trifft vor allem Frauen, da Sorgearbeit weiblich konnotiert ist und sie den überwiegenden Teil der Care-Arbeit übernehmen. 

Während Frauen auch strategisch inkompetent handeln können, sind die Anwendungsbereiche für sie vergleichsweise klein. Man denke daran, wie oft beispielsweise Internetanschlüsse oder Autobatterien gewechselt und wie häufig dagegen Spül- und Waschmaschinen bedient werden müssen.

Weaponized Incompetence funktioniert nur, weil das Prinzip der Aufgabenteilung nach Geschlecht und damit Kompetenzunterschiede bei der Aufgabenerfüllung gesellschaftlich akzeptiert sind. Zu der Akzeptanz tragen popkulturelle Memes wie der "idiot dad" oder "dumb dad" bei. Das Konzept des "Maternal Gatekeeping" verschiebt dabei die Verantwortung zur Aufholung von Kompetenzrückständen in Sachen Care vom Vater zur Mutter und dient der Verschleierung von Weaponized Incompetence. 

Wer sich absichtlich inkompetent verhält, setzt die Beziehung aufs Spiel. Denn das strategische Verhalten untergräbt aktiv ein Vertrauensverhältnis. Wenn jemand körperlich und geistig in der Lage ist, Aufgaben wie ein Geschenk zu verpacken, Wickeln oder Aufräumen durchzuführen, aber so tut, als sei dies ein Ding der Unmöglichkeit, verursacht das bei der anderen Person eine kognitive Dissonanz. Sie wundert sich: Ist das wirklich zu viel verlangt? Mute ich zu viel zu? Statt also Aufgaben auszulagern muss die Person sich nun zusätzlich mit der Frage beschäftigen, was der Partnerperson zuzumuten ist. 

Sie hat demnach noch mehr Mental Load. Wer darüber hinaus regelmäßig mit Weaponized Incompetence konfrontiert ist, sieht sich häufig gezwungen, mehr Aufgaben selbst zu erledigen. Das kostet Zeit und Energie, die ganz offensichtlich für die andere Person keinen oder einen geringeren Wert hat. 

Es geht also zweifach Augenhöhe verloren: Zum einen entwertet die strategisch inkompetent handelnde Person die Ressourcen der Partnerperson. Zum anderen fällt es der betrogenen Person zunehmend schwer, die offenbar inkompetente Partnerperson als vollwertigen Erwachsenen zu betrachten. Nicht selten kommt es so weit, dass die Partnerperson vielmehr als weiteres Kind empfunden wird. 

 

Vetrauensverlust und Infantilisierung erodieren die Beziehung.  

Hat das In-Partnerschaft-Sein für die betroffene Person einen besonders hohen Stellenwert (z.B. für Selbstwert und/oder Status), kann es sein, dass sie zur Komplizin der Weaponized Incompetence wird und das Verhalten der Partnerperson rationalisiert und verteidigt. In diesem Falle ist es so, dass der Benefit durch die Außenwirkung der Beziehung höher bewertet wird als der Benefit durch ein intaktes Vertrauensverhältnis und Augenhöhe in der Beziehung. Manchmal hat die Person Rollenklischees sehr stark internalisiert und findet es normal und richtig, dass die Partnerperson manches nicht kann. 

 

In der Mehrzahl der Fälle ist es jedoch so, dass der Vertrauensverlust und der verschwenderische Umgang mit den Ressourcen der betrogenen Person früher oder später zur Trennung führt. 

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